Väter werden ausgeschlossen

«Arme Alleinerziehende» und «Hektik um Kinderschutz», 30.1.08

Nicht «fast jede zweite Ehe in der Schweiz wird geschieden», wie im Artikel «Arme Alleinerziehende» erwähnt wird, sondern die Scheidungsrate lag gemäss BfS bei 51,7 Prozent (2006), ein Jahr zuvor gar bei 52,6 Prozent. Frau Hausherr vom SVAMV und Frau Trochsler von der eff-zett Alimenteninkassostelle Zug beklagen sich über die vorhandenen Emotionen, welche bei einer Trennung die Diskussion über die nacheheliche Finanzverteilung stören. Der Druck liege auf dem alleinerziehenden Elternteil, in 85 Prozent der Fälle die Frau.

Wir möchten dazu ein paar Ergänzungen machen. Es ist tragisch, dass in einer Individualgesellschaft wie der unseren mit gleichen Ausbildungschancen für beide Geschlechter immer noch 85 Prozent des alleinerziehenden Elternteils die Mutter ist. Eine derart hohe Zahl muss im Zeitalter der Gleichstellung von Mann und Frau hinterfragt werden. Die Antwort liegt in der Bevorzugung von Müttern bei der Kinderbetreuung. Das so entstehende Machtvakuum erzeugt die zur sachlichen Diskussion unerwünschten Emotionen. Wir kennen viele Fälle, wo Väter sich gegen die Alleinerziehung der Mütter wehren und auch nach einer Scheidung weiterhin für ihre Kinder mit grossem zeitlichem Engagement da sein möchten. Aber: unser Gesetz gibt der Mutter in Sachen Sorgerecht ein Veto. Ohne beider Einverständnis gibt es in der Schweiz auch im Jahr 2008 noch kein gemeinsames Sorgerecht. So werden viele engagierte Väter brutal aus der Erziehung ihrer Kinder ausgeschlossen – das Kind wird auch nach der gesetzlichen Einführung der Kindsanhörung nur in seltenen Fällen befragt. Mütter und Richter meinen zu wissen, was das Beste für das Kind ist.

In der gleichen Ausgabe des Tagblatts wird die «Hektik um den Kinderschutz» aufs Korn genommen. Neue Gesetze müssen her. Dabei wäre es doch wesentlich einfacher, die Väter wieder in die Erziehung einzubeziehen, ihnen die Chance zu geben, Zeit mit ihren Kindern zu verbringen und Werte zu vermitteln, anstatt sie laufend auszuschliessen und auf Teufel-komm-raus Einelternfamilien zu schaffen. In einigen sozial weiter entwickelten Staaten als die Schweiz – und davon gibt es viele – ist seit einigen Jahren die paritätische Betreuung nach einer Trennung im Gesetz verankert. In Dänemark, Italien, Belgien, Australien und einigen Staaten der USA wird nach einer Scheidung eine Lösungsfindung durch die Eltern, allenfalls mit Hilfe von Mediation, gefördert. Eine gemeinsam erarbeitete Lösung wird eher von den Parteien getragen. Alimentenverweigerungen nehmen ab, Väter werden in die Kindererziehung eingebunden. Als Bonus geht die Scheidungsrate in diesen Ländern zurück. Die Kinder danken es.

Patrick Baumann Landquartstr. 59, 9320 Arbon für www.doubtfire.ch, Mitglied von www.gecobi.ch Schweizerische Vereinigungen für gemeinsame Elternschaft

 
  
 
zugrundeliegende Artikel:

Arme Alleinerziehende

Zu knappe Alimente, zahlungsunwillige Väter: Frauen geraten nach der Scheidung oft in finanzielle Not. Der Staat hilft, aber nur unter bestimmten Bedingungen.

Der Treueschwur währt selten ewig: Fast jede zweite Ehe in der Schweiz wird geschieden – Tendenz steigend. Die Scheidung bringt oft nicht nur seelische, sondern auch finanzielle Nöte mit sich. «Besonders ältere Frauen sind meist blöder dran: Sie finden nicht nur schwerer einen neuen Partner, sondern sind auch beruflich oft schlechter gestellt», sagt der Rechtsanwalt Leander Zemp.

Nicht immer Geld für Frau

Vom Ex-Gatten ist nicht unbedingt Hilfe zu erwarten. Grundsätzlich gilt: Beide Partner sollen nach der Scheidung selbständig für ihren Lebensunterhalt aufkommen. Wenn das nicht möglich ist, hat die Frau – nur selten ist es der Mann – Recht auf Unterstützung. «Ein Anspruch auf längerfristige Unterhaltszahlungen besteht aber nur, wenn die Ehe lebensprägend war», erklärt Zemp. Als Kriterien gelten eine Mindestdauer von zehn Jahren oder gemeinsame Kinder.

Aber auch die Rollenverteilung während der Ehezeit ist massgeblich. Hat etwa die Frau zugunsten der Kinderbetreuung beruflich stark zurückgesteckt und in der Folge nun schlechtere Verdienstmöglichkeiten, hat sie Anspruch auf finanzielle Unterstützung durch ihren Ex-Mann. Wie hoch die Alimente ausfallen, hängt stark vom Einkommen des Mannes ab.

Arm trotz Alimenten

Der Lebensbedarf gemeinsamer Kinder muss hingegen immer gedeckt werden. Der nicht obhutsberechtigte Elternteil muss Kinderalimente bezahlen, bis der Nachwuchs volljährig ist oder eine erste Berufsausbildung abgeschlossen hat. «Unverheiratete Eltern legen die Alimente im Fall einer Trennung vorsorglich in einer Vereinbarung bei der Vormundschaftsbehörde fest», sagt Zemp. Verheiratete Paare tun dies im Fall einer Scheidung – wenn sie sich denn einigen können. Andernfalls liegt der Entscheid beim Richter.

Es gibt keine Tabellen, die Höhe und Dauer von Unterhaltszahlungen generell festlegen. Je nach Kanton sind die Bemessungsmethoden verschieden. Als Faustregel gilt, dass die Kinderalimente bei einem Kind 15 bis 17 Prozent und bei zwei Kindern 25 bis 27 Prozent des steuerbaren Einkommens betragen sollten. Verdient der Unterhaltspflichtige wenig, fallen die Alimente entsprechend tief aus.

«Oft reichen die Unterhaltszahlungen nicht aus, um die Lebenskosten zu decken», sagt Anna Hausherr vom Schweizerischen Verband alleinerziehender Mütter und Väter (SVAMV). «Dann lastet der ganze Druck auf dem erziehenden Elternteil. Kommt hinzu, dass dieser – es ist in 85 Prozent der Fälle die Frau – meist noch schlechter verdient.» Alleinerziehende haben ein hohes Armutsrisiko: Mehr als die Hälfte der Kinder, die Sozialhilfe beziehen, leben laut Hausherr in Ein-Eltern-Familien.

Staat springt ein

Die Situation verschärft sich zusätzlich, wenn der Unterhaltspflichtige die Alimente nur teilweise oder gar nicht bezahlt. Nicht immer bleibt der Mann aus finanzieller Not seine Unterstützung schuldig. Zahlungsverweigerung aus emotionalen Gründen ist nicht selten. «Schwierig ist es, wenn Väter nicht trennen zwischen ihrem Groll auf die Ex-Frau und ihrer Unterhaltspflicht den Kindern gegenüber», sagt Hausherr.

«Emotionen und Geld sind eine schwierige Konstellation», sagt auch Marlen Trochsler von der eff-zett Alimenteninkassostelle Zug. Wer Anspruch auf Alimente hat, diese aber nicht kriegt, findet hier Unterstützung: Die Inkassostelle prüft, ob ein Anspruch auf Bevorschussung gegeben ist. Ist dies der Fall, werden die gerichtlich festgelegten Unterhaltszahlungen durch die Gemeinden bevorschusst. «Die pflichtige Person schuldet den Unterhalt aber weiterhin», stellt Marlen Trochsler klar. «Die Rückstände müssen zurück bezahlt werden, auch wenn die Unterhaltspflicht abgelaufen ist.»

Frauenalimente werden im Gegensatz zu Kinderalimenten in den meisten Kantonen nicht bevorschusst. Hausherr rät deshalb, bei der Vereinbarung mit dem Ehegatten mehr Wert auf höhere Kinderalimente zu legen, denn diese sind staatlich besser gesichert. Alle drei Experten empfehlen ausserdem einen kühlen Kopf. «Es ist besser, nicht zu viele Emotionen in die Angelegenheit reinzubringen», sagt Zemp. Ein frommer Wunsch, dem die Realität eines Scheidungskampfes wohl selten gerecht wird.

Franziska Ramser

 

Hektik um den Kinderschutz

Die Kinderlobby will einen besseren Vollzug statt neue Gesetze

Derzeit übertreffen sich Politiker mit Forderungen nach mehr Repression beim Kinderschutz. Hintergrund sind die Gefahren im Zusammenhang mit neuen Medien. Experten warnen indes vor zu vielen neuen Gesetzen.

marcello odermatt/bern

Den Kindern in der Schweiz muss es gutgehen. Über 50 Organisationen setzen sich für deren Schutz und Rechte ein. Eine eigene Expertenkommission berät den Bundesrat in Kinder- und Jugendfragen. In der Verwaltung existieren unzählige Stellen, die sich mit Kinderanliegen beschäftigen. Die rechtlichen Grundlagen werden laufend angepasst. Per Verfassung geniessen Kinder einen besonderen Schutz. Seit 2007 existiert ein eigenes Jugendstrafrecht. In diesem Jahr wird die Totalrevision des Vormundschaftsrechts verabschiedet.

Flut an Vorstössen

Zählt man allerdings die Bestrebungen für mehr Kinderschutz auf, die derzeit auf Bundesebene aktuell sind, so muss es den Kindern in der Schweiz schlechtgehen. Die Anzahl Forderungen im Parlament ist enorm. So will beispielsweise alt Nationalrätin Ruth-Gaby Vermot (SP) das Verbot von Körperstrafen verankern. FDP-Ständerat Rolf Schweiger verlangt ein umfassendes Porno-Verbot auf Handys. Und CVP-Nationalrat Norbert Hochreutener will «Killerspiele» für Jugendliche generell verbieten. Auch soll der Konsum harter Pornographie unter Strafe gestellt werden. Um Entführungen zu verhindern, verlangen Parlamentarier ein MMS-Alarmsystem. Per Volksinitiative will die Vereinigung «Marche Blanche», dass sexuelle Straftaten gegen Kinder nicht mehr verjähren. Weiter verlangen CVP- und SVP-Politiker, dass die Höchststrafe für sexuelle Handlungen mit Kindern auf zehn Jahre Zuchthaus heraufgesetzt wird und dass Pädophile nie aus dem Strafregister gestrichen werden.

Medienereignisse als Ursache

Steht es also schlecht um den Kinderschutz? Oder rollt eine unnötige Gesetzesflut heran? Die Politiker legitimieren neue Gesetze etwa mit dem Schutz der «ungestörten sexuellen Entwicklung», dem Vermeiden von «problematischen Auswirkungen» bei Jungen mit «Persönlichkeitsdefiziten», dem Herausholen der Jugendlichen aus der «Gewaltspirale». Allerdings erkennen Kinderschutzvereine in den Forderungen auch einen gewissen Aktivismus, ausgelöst durch aufsehenerregende Einzelereignisse um Jugendgewalt, Verwahrlosung, Kindsentführungen wie der Fall Ruben oder Tötungsdelikte wie der Fall Ylenia.

Jean-Marie Bouverat vom Bereich Kinder-, Jugend- und Altersfragen im Bundesamt für Sozialversicherungen vermutet, dass die Sensibilität grösser geworden ist. Besonders stört die Politiker aber, dass Kinder leicht via Handy und Internet Gewalt oder Pornos konsumieren können. Es sind die Folgen der Mediengesellschaft, die beklagt werden.

Indes: Ein genauer Blick auf die Problematik relativiert den Handlungsbedarf. Auch wenn Gewalt an Kindern eine Tatsache ist, so ist keine Zunahme festzustellen (vgl. Kasten). Es existieren bereits zahlreiche Schutzbestimmungen – in der Bundesverfassung, im Zivil- und im Strafgesetz. Seit 1997 gilt die UNO-Kinderrechtskonvention. Heinz Sutter, Leiter Fachbereich Strafrecht und Strafprozessrecht im Bundesamt für Justiz, hält denn auch fest: «Strafrechtlich gesehen kann man vernünftigerweise nicht viel mehr machen.»

Selbst Kinderschutzorganisationen sehen es so. Christoph Häfeli von Kinderschutz Schweiz: «Das schweizerische Recht nimmt den Kinderschutz sehr ernst.» So sind Körperstrafen insofern bereits verboten, als sie zu Körperverletzungen führen. Für Bouverat könnte aber eine explizite Bestimmung symbolische und präventive Wirkung haben. Wünschen würden sich die Experten hingegen eine bessere Umsetzung. Das Problem liegt laut Häfeli darin, dass für den Vollzug oft genügend Profis fehlen. Beklagt wird insbesondere die unterschiedliche Handhabe in den Kantonen.

Im Bereich Internet und neue Medien sehen die Experten aber Bedarf für einige gesetzliche «Präzisierungen», wie Häfeli sagt. Der Zugang zu problematischem Material ist leicht möglich. Doch auch hier ist man heute schon nicht machtlos. Das Bundesamt für Justiz ist der Ansicht, dass man mit dem geltenden Recht auch gegen Internet-Provider vorgehen kann. Über die Nützlichkeit von detaillierteren Regelungen werde aber gerade diskutiert. Der Bundesrat wird dazu bald Stellung nehmen.