Verhaltenshinweise im Scheidungsfall

Wieviel Vater braucht ein Kind (Wera Fischer)

Scheidungskonvention Muster

Besuchsrecht: Abholen des Kindes - die starre Haltung der Behörden

 

aus
Neues Scheidungsrecht: Auswirkungen auf die Tätigkeit der vormundschaftlichen Organe
Herausgeberin: Konferenz der Kantonalen Vormundschaftsbehörden VBK (ISBN 3-906413-09-8)

Kommentar Mrs. Doubtfire
Fettdruck: wichtige Aussagen im Sinne von Mrs. Doubtfire

Das bisher vom Gesetz einseitig als Persönlichkeitsrecht des berechtigten Elternteils ausgestaltete Recht auf persönlichen Verkehr wird neu als gegenseitiger Anspruch des Kindes und des berechtigten Elternteils statuiert. Damit wird der psychosozialen Bedeutung zwischen Eltern und Kind Rechnung getragen. Es handelt sich somit um ein Pflichtrecht....Dennoch wurde erneut, wie schon bei der Revision des Kindesrechts, darauf verzichtet, im Gesetz eine Pflicht auf Pflege der persönlichen Beziehungen zu normieren, einerseits weil es Situationen gibt, in denen der persönliche Verkehr nicht im Interesse des Kindes liegt und andererseits weil eine Vollstreckung dieser Pflicht nicht möglich wäre. Leider wird dieser Passus von Behörden immer wieder benutzt, um besuchsberechtigte Väter zu benachteiligen und Mütter zu bevorzugen.  Immerhin kann die Vormundschaftsbehörde neu Eltern, Pflegeeltern oder das Kind ermahnen und ihnen Weisungen erteilen, namentlich wenn sich die Nichtausübung des persönlichen Verkehrs für das Kind nachteilig auswirkt.

Der persönliche Verkehr ist einerseits für das Kind für das Verständnis der Herkunft und die Bildung der eigenen Identität von grösster Bedeutung. Zudem ist es andererseits für den Elternteil, welcher die Obhut über das Kind besitzt, eine Entlastung und Ergänzung der Beziehung zum Kind.

Art und Umfang des persönlichen Verkehrs richten sich nach einem übergeordneten Massstab. Es ist unter Würdigung aller erheblichen Umstände die den besonderen Verhältnissen am besten angepasste Lösung zu wählen. Die Umstände bestimmen sich nach den Interessen der beteiligten Personen und lassen sich nicht abschliessend aufzählen.

Das Kindeswohl ist für die Bestimmung von Dauer und Häufigkeit der Besuche der grundsätzliche Massstab. In der Praxis haben sich regional unterschiedliche "Standardlösungen" etabliert. Weshalb soll es innerhalb der Schweiz regionale Unterschiede geben? Abhängig vom Alter sind Regelungen zwischen wenigen Stunden bis 1/2 Tag bei Kleinkindern bis zu zwei Wochenenden pro Monat für Schulkinder üblich. Das Übernachten beim Besuchsberechtigten ist dann zu ermöglichen, wenn beim Kind keine Trennungsängste mehr bestehen. Werden diese Ängste mit der Verweigerung einer Übernachtung nicht grösser? Mrs. Doubtfire erachtet diese Regelung als kontraproduktiv. Dies ist nicht in erster Linie eine Frage des Alters, sondern der tatsächlichen Umstände. Üblicherweise werden in der Deutschschweiz zusätzlich 2 - 3 Wochen Ferien pro Jahr und in der Westschweiz die Hälfte der jährlichen Schulferien zuerkannt. Gibt es in der Welschschweiz ein anderes Kindeswohl? Solche regionalen Unterschiede sind inakzeptabel.

Die schriftlich fixierte Ausgestaltung des Besuchsrechtes soll eine einfache und möglichst konfliktfreie Abwicklung des Besuchsrechtes ermöglichen. Die Differenziertheit der Regelung ist abhängig von der Kooperationsfähigkeit der Eltern und vom jeweiligen Konfliktpotential. Oft haben zerstrittene Eltern besonders übersteigende Erwartungen an ein urteilsmässig verbürgtes Besuchsrecht und pochen verbissen auf ihr Recht. In solchen Fällen besteht die Gefahr, dass der besuchsberechtigte Elternteil einseitig persönliche Bedürfnisse zu befriedigen sucht und diejenigen des Kindes vernachlässigt. Weshalb wird hier nur vom besuchsberechtigten Elternteil (dies ist meistens der Vater) gesprochen? Und was bedeutet "zerstrittene Eltern"? Was ist, wenn die Streitsucht einer Mutter eine vernünftige Regelung verhindert, wie dies so oft der Fall ist? Ob hier entsprechend konkrete Weisungen sich konfliktreduzierend auswirken können, muss die Praxis zeigen. Solche Weisungen könnten zum Beispiel sein, das Kind nicht mit Geschenken zu überhäufen, bestimmte Lokalitäten zu meiden oder das Kind rechtzeitig für den Besuch bereit zu halten.

Wird das Wohl des Kindes durch pflichtwidrige Ausübung des Besuchsrechtes, sich nicht ernstliches Kümmern oder aus anderen wichtigen Gründen gefährdet, so kann der Anspruch auf persönlichen Verkehr verweigert oder gar entzogen werden (Art. 274 Abs. 2 ZGB). Wo ist die Erwähnung der Sanktionen gegen den sorgeberechtigten Elternteil, welcher das Besuchsrecht torpediert? Die Gefährdung ist dann gegeben, wenn der persönliche Verkehr die körperliche, geistige oder sittliche Entfaltung des Kindes ernsthaft zu beeinträchtigen droht. Unerheblich ist, ob die Gefährdung vom Berechtigten pflichtwidrig oder schuldhaft herbeigeführt wurde, entscheidend ist, dass die Gefährdung besteht.

 

Konkretes Vorgehen

...Es handelt sich um die Neugestaltung von Eltern-Kind-Beziehungen nach einer Auflösung der bisherigen Familie und es liegt in der Natur der menschlichen Beziehungen, dass dies nicht spannungsfrei verläuft. Die Regelung des Besuchsrechtes ist Massarbeit und muss möglichst dem Einzelfall gerecht werden. In diesem Ermessensentscheid geht es um die Abwägung der Interessen des Kindes, des berechtigten Elternteils und des mit der Pflege und der Obhut betrauten Elternteils. Diese Aufgabe ist schon schwierig genug, wenn die beteiligten Personen vernünftig sind, die Eltern des Wohl des Kindes im Auge behalten und alle einander wohlgesinnt sind. Sie ist aber schlicht fast unlösbar, wenn die Beteiligten noch inmitten von ungelösten Partnerkonflikten stehen und diese über das Besuchsrecht ausagieren. Und wieder: Was, wenn vor allem der sorgeberechtigte Elternteil seine Frustration über das Besuchsrecht ausagiert?

Ermahnt die Vormundschaftsbehörde und erteilt sie bezüglich der Besuchsrechtsausübung Weisungen, so ist darauf zu achten, dass diese Weisungen überprüft werden können und bei Nichtbeachten auch Konsequenzen nach sich ziehen. In der Praxis sind bei schwerwiegenden Problemen weitergehende Massnahmen notwendig. In jedem Fall kann via Vormundschaftsbehörde eine Vermittlung mittels einer Kindesschutzmassnahme beantragt werden (Art. 307, 308 ZGB). Möglicherweise kann auch mit der Androhung einer Ungehorsamsstrafe (Art. 292 StGB) operiert werden. Weshalb wird diese Ungehorsamsstrafe kaum durchgesetzt? Nur in absoluten Ausnahmefällen dürfte eine polizeiliche Vollstreckung (dies würde das Kindeswohl in praktisch jedem Fall verletzen) oder die Vollstreckung gegen den Willen des urteilsfähigen Kindes in Frage kommen.

 

 

Im Zusammenhang mit der gemeinsamen elterlichen Sorge stellte die VBK fest:

...Unbestritten ist, dass Eltern nach der Scheidung weiterhin gemeinsam für das Wohl der Kinder verantwortlich sind und dass jene Kinder die belastenden Erfahrungen der Scheidung besser verarbeiten, die mit beiden Eltern weiterhin gute und enge Beziehungen unterhalten können. Es ist auch eine Erfahrungstatsache, dass heutzutage vermehrt beide Elternteile in gleicher Weise zur Übernahme der elterlichen Sorge und der Obhut fähig sind und die ausschliessliche Zuweisung an den einen oder anderen Elternteil als ungerecht, weil zufällig, erscheinen muss....

Da gemeinsam wahrgenommene Elternverantwortung die beste Gewähr bietet, dass Kinder die grossen Anpassungsleistungen nach einer Scheidung ihrer Eltern erbringen können und möglichst wenig Schaden leiden, muss die Erhaltung von Elternschaft das oberste Orientierungsprinzip von scheidungswilligen Ehepaaren mit Kindern und aller an einer Scheidung beteiligten Instanzen sein. Die gemeinsame elterliche Sorge hat dabei neben der rechtlichen auch eine nicht zu unterschätzende symbolische und psychologische Bedeutung.