Väterzeit

Früher war der Vater meist eine gefürchtete Autorität. Und heute? Anlässlich des morgigen Vätertags reden drei Männer über ihr Vaterbild und ihre Vaterrolle.

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Betram S.*, 46, Informatiker, Vater von drei Kindern im Alter zwischen 10 und 4 Jahren, zehn Jahre verheiratet,
seit drei Jahren geschieden.

«Ich bin zusammen mit vier Geschwistern in traditionellen Verhältnissen aufgewachsen. Einmal abgesehen von den Auseinandersetzungen während der Pubertät hatte ich zu meinen Eltern immer ein sehr gutes Verhältnis. Ich mag Kinder. Aber ich war mir in jungen Jahren nicht im Klaren darüber, ob ich selber Kinder haben wollte. Als ich meine spätere Frau kennenlernte, war diese Frage nach wie vor offen. Nach einem halben Jahr wurde sie schwanger und wir heirateten. Aus meiner Sicht lief alles gut. Wir kauften ein Haus auf dem Dorf, ich baute es teilweise selber um. Dann fühlte sich meine Frau dort nicht mehr wohl. Wir verkauften das Haus und zogen in eine Kleinstadt. Dort erwarben wir wieder ein Haus, es war modern und geräumig. Nach einem Jahr wollte meine damalige Frau eine Auszeit.

In ein Loch gefallen
Wir hatten mittlerweile drei kleine Kinder, die meine Frau in dieser Phase als sehr anstrengend empfand. Also bot ich ihr an, Ferien zu nehmen und mich um die Kinder zu kümmern, damit sie sich hätte erholen können. Sie lehnte ab. Wenig später zog sie aus und nahm die Kinder mit. Und dann fand ich eines Tages ihr Scheidungsbegehren in meinem Briefkasten. Den wahren Grund für die Scheidung kenne ich bis heute nicht. Ich fiel in ein Loch. Wegen des Besuchsrechts gab es von Anfang an Streit. Es ist bis heute ein sehr schwieriges Thema. Im Scheidungsurteil ist ein Besuchsrecht von zweimal monatlich festgelegt. Doch das wurde nie eingehalten, weswegen ein Beistand hinzugezogen wurde. Und dennoch klappt es bis heute nicht. Kinder brauchen den Vater genauso wie die Mutter, das sollte heutzutage jeder wissen! Das Sorgerecht hat meine Ex-Frau.

Angst vor Entfremdung
Meine Tochter habe ich im vergangenen Jahr dreimal gesehen. Der schulpsychologische Dienst stellte fest, dass sie unter einem Loyalitätskonflikt leidet. Die beiden Buben dürfen ein Wochenende pro Monat bei mir verbringen. Wir spielen, kochen, manchmal steigen wir aufs Velo und picknicken. Ich habe mich mit der Situation abgefunden. Ich möchte einfach meine Kinder aufwachsen sehen, unsere Beziehung aufrechterhalten und ihnen meine Werthaltungen mitgeben – vor allem Rechtschaffenheit und Respekt vor dem Leben. Aber manchmal plagen mich Ängste, die Kinder könnten sich von mir entfremden, weil sie nicht so häufig kommen dürfen. Dabei würden sie es gerne. Das gemeinsame Sorgerecht müsste der Regelfall sein, nicht die Ausnahme!»

*Name von Redaktion geändert
 

Christoph Balmer-Waser, 41, Sozialarbeiter, Hausmann, Vater von drei Kindern im Alter zwischen 11 und 8, seit 14 Jahren verheiratet.

«Ich bin zusammen mit einem älteren Bruder in St. Gallen aufgewachsen – in einer klassischen Kleinfamilie. Mein Vater war Beamter, meine Mutter kümmerte sich um die Kinder und um den Haushalt. Aber sie engagierte sich schon früh ausser Haus, als nebenamtliche Katechetin. Bildung hatte bei uns einen zentralen Platz. Politik, Theater und Musik spielten eine Rolle. Mein Vater ernährte sich sozusagen von Büchern. Es war ein weltoffenes Haus. Mein Vater gab sich mit uns an Abenden, Wochenenden und in den Ferien ab. Ich erinnere mich an Eile mit Weile und wie er uns vorlas. Ich hatte viele Freiheiten, musste aber meine Unternehmungen begründen. Was eben keinen Platz hatte, war das Unvernünftige.

Bewundert und belächeltMeine Frau und ich haben in unseren Familien gute Erfahrungen gemacht. Daher fiel es uns leicht, selber eine Familie zu gründen. Bei mir war es aber nicht von Vorneherein klar, dass ich Kinder haben würde. Nach meiner Zweitausbildung habe ich immer Teilzeit gearbeitet. Das wollte ich auch beibehalten, als wir Kinder hatten. Meine Frau arbeitet 70 Prozent als Leiterin des Schlupfhuus St. Gallen. Ich bin im Offenen Haus als Sozialarbeiter angestellt und kann mir die Arbeit weitgehend frei einteilen. Das erleichtert meine Arbeit als Hausmann. Früher war ich ein Exot – manche belächelten mich, andere idealisierten mich. Und manche Vollzeithausfrauen fühlten sich provoziert. Aber mittlerweile hat sich das weitgehend normalisiert. Ein Paradiesvogel, nein, das möchte ich nicht sein. Und schon gar nicht ein Event-Vater. Mir ist es wichtig, den Alltag mit den Kindern zu gestalten, sie zu begleiten, ihnen bei den Hausaufgaben zu helfen, sie zu versorgen. Nur wenn sie krank sind, gehen sie immer zur Mutter. Die Kinder sind nicht der einzige Sinn in meinem Leben. Wenn ich Lust habe, lese ich zwischendurch die Zeitung und nehme mir Zeit für mich. Immer nur um die Kinder, das wäre mir zu viel. Genauso die reine Ernährerrolle, der Druck, dass finanziell alles von meinem Lohn abhinge.

Kein Spaziergang
Unser Familienmodell finde ich gut. Aber wer es idealisiert, dem sage ich: Es ist kein Spaziergang. Man muss gut organisiert sein, ohne Terminkalender gehts nicht. Wie unser Rollenmodell die Kinder beeinflusst? Das weiss man noch nicht. Sie erleben intensiver, wie unterschiedlich Mutter und Vater vorgehen. Sie sehen, dass auch ein Mann putzen, waschen, kochen und Staub wischen kann. Und dass sich Muttersein durchaus mit Karriere verträgt.»

 

Peter Graf, 42, Bauleiter, vier Kinder im Alter zwischen 12 und 6 Jahren, seit 16 Jahren verheiratet.

«Ich bin in Widnau zusammen mit zwei Schwestern aufgewachsen. Ich hatte eine schöne Kindheit. Mein Vater war ein Familienmensch, er verbrachte viel Zeit mit uns. Für mich gehören Kinder zu einem normalen Leben. Und es ist natürlich auch ein grosses Glück, wenn man Kinder haben kann. Man muss ja nicht nur viel geben, man bekommt auch viel zurück. Im Alter ist man nicht allein, man gehört zu einer grossen Gemeinschaft. Kinder sind ein Wunder. Die Geburt ist ein Erlebnis, das sich fest ins Gedächtnis einprägt. Meine Frau und ich sind seit 22 Jahren zusammen und seit 16 Jahren verheiratet. Zuerst haben wir ein grosses Haus gebaut mit drei Kinderzimmern.

Viel Zeit zu Hause
Ich verbringe sehr viel Zeit zu Hause. Ich gehe lieber früher zur Arbeit, damit ich abends noch etwas von den Kindern habe. Die Zeit vergeht schnell, und ich will mir von meinen Kindern nicht vorwerfen lassen, ich hätte mich nicht um sie gekümmert. Ich schätze, wir sind eher konservativ, aber offen. Meine Frau kümmert sich um die Kinder, kontrolliert ihre Hausaufgaben und macht den Haushalt. Ich halte das Familienmodell, das wir leben, immer noch für eines der besseren. Die Kinder brauchen eine Mutter, einen Vater und stabile Verhältnisse. In unserer Umgebung leben eigentlich alle so. Für mich ist die Welt hier noch in Ordnung. Auf dem Land hat man ein kollegiales Verhältnis. Es ist unkomplizierter. Man übertreibt nicht. Nicht nur die Karriere und das Geld zählen. In einer Stadt könnte ich nie leben. Dort gelten andere Werte. Selbstverständlich können auch andere Familienmodelle funktionieren.

Anstand und Achtung
In einem sechsköpfigen Haushalt braucht es eine gewisse Strenge. Unsere Kinder sind sehr lebendig. Es gibt schon Momente, wo sie mich an eine Grenze bringen. Aber im Grossen und Ganzen haben wir pflegeleichte Kinder.
Wir legen Wert auf Anstand und Achtung vor dem Gegenüber. Sie sollen dem Alter entsprechend auch nach und nach mehr Verantwortung übernehmen. Wir würden den Kindern nie vorschreiben, was sie einmal aus ihrem Leben machen sollen. Selbstverständlich habe ich Wünsche: Dass die Kinder in der Schule gute Leistungen erbringen, damit sie einen Beruf ihrer Wahl ergreifen und sich weiterentwickeln können und ihren Weg gehen; dass sie nie mit Drogen in Berührung kommen und sich in einem guten Kollegenkreis bewegen; dass sie die Werte, die wir ihnen vermitteln, auch später hochhalten.»

Notiert: Andreas Fagetti

 

Schweizer Vätertag

Was in den deutschsprachigen Nachbarländern, den Benelux-Staaten oder den USA zum Teil bereits seit 100 Jahren existiert, wird morgen Sonntag auch in der ganzen Schweiz vom Dachverband der Schweizer Männer- und Väterorganisationen männer.ch lanciert. «Der Vätertag ist mehr als eine Kopie des Muttertages», sagt Projektkoordinator Andreas Borter. Es gehe vielmehr darum, Anreize für eine aktivere Vaterschaft zu schaffen und nicht bloss einmal im Jahr danke zu sagen. Der Vätertag will eine Auseinandersetzung mit dem Vatersein anstossen in einer Zeit, in der sich die traditionellen Rollenbilder auflösen und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie mehr und mehr auch zum Männerproblem wird. Der Dachverband männer.ch möchte damit die Vätertags-Idee in der breiten Bevölkerung bekannt machen, um sie in den kommenden Jahren gezielt zu verankern und weiter auszubauen. «Der Vätertag kann so einen wichtigen Beitrag zu einer partnerschaftlichen Familienpolitik leisten, die den Lebensrealitäten von Männern, Frauen und Kindern gerecht wird», sagt Dachverbands-Präsident Markus Theunert.

In der Stadt St. Gallen ist der Vätertreff Veranstalter der morgigen Feier. Spiel und Spass im Freien für Väter und Kinder ist angesagt. Mütter sind ebenfalls willkommen. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Der Spielplausch beginnt bei guter Witterung um 14 Uhr im Stadtpark St. Gallen (beim Naturmuseum). Bei Regen findet der Anlass in der Offenen Kirche St. Gallen an der Böcklinstrasse 2 statt. Bei unsicherer Witterung Auskunft unter Tel. 079 277 00 71. (fa)